25 Jahre nach Ruanda
Genozidprävention damals und heute
Im April 1994 spielten sich in Ruanda vor den Augen der Weltöffentlichkeit unvorstellbar grausame Verbrechen ab. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende, Agnieszka Brugger, wies in ihrer Begrüßung deshalb darauf hin, dass das Gedenken an die Opfer uns unentwegt dazu verpflichte, Verantwortung zur Aufarbeitung zu übernehmen, kontinuierlich einzufordern und voranzutreiben. Das Wegschauen von damals begründe eine Schuld, die die Weltgemeinschaft zur Verantwortung verpflichte.
Welche Rolle hatten Deutschland und Europa vor und während des Völkermords?
Dieser Frage ging Margarete Bause, Sprecherin für Menschenrechte und humanitäre Hilfe im ersten Teil der Veranstaltung nach. Als Zeitzeugin und Aktivistin berichtete zunächst Esther Mujawayo, Mitgründerin der Association des Veuves du Génocide (AVEGA): In den Wochen nach dem Beginn des Völkermords, sah man „nur noch Tote, fühlte nichts mehr, nur noch Leere“. Die Täter waren keine Unbekannten, betonte die heute 59-Jährige: „Sie waren unsere Nachbarn, Lehrer, sogar Pfarrer“. Die Opfer des Völkermordes wurden ihrer Menschlichkeit und Würde beraubt. Kein Ort war den Tätern heilig; selbst in Kirchen wurde gemordet.
Ein klares Nein setzte Esther Mujawayo relativierenden Theorien entgegen: Der Völkermord 1994 habe sich angekündigt und wurde vorbereitet. Bereits 1959 und dann wieder 1973 sei es überdies zu Verfolgungen, Plünderungen, Hetze gegen Tutsis gekommen. Prävention sei wichtig, machte Esther deutlich; aber ebenso wichtig sei es, „nicht zu vergessen“.
Philipp Rotmann, vom Global Public Policy Institute (GPPI) in Berlin nannte die Aufarbeitung des Genozids in Ruanda notwendig; nur so könne man sich der Verantwortung für damaliges Verhalten stellen. Deutschland habe 1994 nicht alles getan, was in seiner Macht stand. Damals hätte man früher die Notwendigkeit erkennen können und müssen zu handeln – und zwar nicht nur in Form von militärischem Eingreifen, stellte Rotmann klar. So sei Deutschland damals wichtigster Akteur in der Entwicklungszusammenarbeit in Ruanda gewesen – es hätten mithin Optionen der Einflussnahme bestanden.
Außerdem hätten Diplomaten, Bundeswehr-Angehörige und andere in Ruanda stationierte Deutsche damals vielfach nach Bonn gemeldet, dass Gefahr in Verzug gewesen sei. Diese Warnungen blieben ungehört; im Gegenteil – der deutsche Botschafter in Kigali bezeichnete noch Ende 1993 die Menschenrechtslage in Ruanda als gut. Und auch nach 1994 habe man sich „nicht mit Ruhm bekleckert“, kritisierte Rotmann. So sprach sich die deutsche Innenministerkonferenz gegen eine Aufnahme größerer Flüchtlingskontingente nach Rheinland-Pfalz aus – aus der Sorge, dies könne Präzedenzfälle schaffen.
Dr. Sonja Kreibich, Referatsleiterin für Afrika Subsahara im Auswärtigen Amt, mahnte, die Erinnerung müsse wachgehalten werden. Man brauche gar nicht drum herumzureden: „Die internationale Staatengemeinschaft hat damals versagt, auch das Auswärtige Amt. Man hätte die Anzeichen (für den sich entwickelnden Genozid) früher erkennen können und müssen.“ Allerdings hätten Versäumnisse und Fehleinschätzungen auch für andere gegolten; auch Journalisten zeichneten damals vielfach ein falsches Bild der Lage in Ruanda. Das Auswärtige Amt habe immerhin seither die „Instrumente zur Früherkennung weiterentwickelt“, sagte die Diplomatin. Aber leider gebe es auch Rückschritte – etwa die zunehmende Weigerung gerade afrikanischer Staaten, mit internationalen Strafverfolgungsorganen zusammenzuarbeiten.
Eine umfassende Aufarbeitung des AA habe es noch nicht gegeben. „Dies sollte der Wissenschaft vorbehalten bleiben. Wir werden das dann unterstützen“, bot Kreibich an. Dies wollte Philipp Rotmann nicht unwidersprochen lassen. Er hatte schon zuvor dafür plädiert, die damaligen Akten aus Regierungsbeständen freizugeben: „Was ist denn mit dem Zugang zu Quellen?“ Es brauche seitens der Bundesregierung „ein Signal“ zur Kooperation mit jenen, die Aufarbeitung machen wollten.
Internationale und Europäische Genozidprävention – wie geht es weiter?
Das zweite Teil des Fachgesprächs widmete sich der Frage, welche Lehren aus dem Völkermord in Ruanda gezogen wurden. Leider gibt es noch immer keine lückenlosen Frühwarnsysteme, durch die Massenverbrechen weltweit effektiv verhindert werden können. Die Frage ist, woran die Implementierung eines solchen Systems bislang scheitert. Was muss noch weiter verbessert werden? Diese Fragen diskutierte Ottmar von Holtz, Sprecher für zivile Krisenprävention und Vorsitzender des gleichnamigen Unterausschusses, mit den drei Panelgästen. Zum einen berichtete Jens Stappenbeck, Geschäftsführer von Genocide Alert e.V., über die Lücken in der deutschen und internationalen Genozidpräventionsarchitektur. Die NGO erarbeitete konkrete Handlungsanleitungen für Parlamentarier, die hier nachzulesen sind.
Der zweite Panelgast, der Völkerrechtler und Sprachwissenschaftler Dr. Gerd Hankel, hat in Ruanda Versuche zur Aufarbeitung des Völkermords nach dem humanitären Völkerrecht und Internationalen Strafrecht unternommen. Er wies darauf hin, dass die strafrechtliche Aufarbeitung ein wesentlicher Beitrag für Prävention zukünftiger Verbrechen sei. Auch der dokumentarische Charakter der Prozesse und Urteile sei wichtig für die Aufarbeitung und Prävention. Er betonte jedoch, dass noch nicht alle Verbrechen aufgearbeitet seien und es offenbar derzeit in Ruanda am politischen Wille mangele, dies nachzuholen.
Dr. Kristin Platt komplettierte das Panel mit ihren Einblicken aus der Genozidforschung. Sie ist Sozialwissenschaftlerin und Sozialpsychologin und stellvertretende Leiterin des Instituts für Diaspora- und Genozidforschung der Ruhr-Universität Bochum. Sie verwies auf mehrere Probleme in der derzeitigen Wahrnehmung von Genoziden, die einer wirksamen Prävention im Wege stehen. Zum einen werden häufig die Namen der Opfer nicht genannt, was einer Leugnung gleichkommt. Außerdem sind genozidale Entwicklungen nicht immer sofort anhand des Ausmaßes der Brutalität zu erkennen. Man müsse genauer auf die Art der Gewalt achten.
Kordula Schulz-Asche, Sprecherin für Pflege- und Altenpolitik und selbst Zeitzeugin des Genozides in Ruanda, verabschiedete alle Gäste mit der mahnenden Botschaft des „Nie wieder“, die in Anbetracht zunehmender Hetze und Hass gegen bestimmte Gruppen auch hierzulande noch mehr an Bedeutung gewinne.
„Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich und dann gewinnst du.“
Diese Weisheit Mahatma Gandhis ist ein treffendes Motto für meine politische Erfahrung. Seit 30 Jahren kämpfe ich zusammen mit den bayerischen Grünen für Ökologie und Gleichberechtigung, für Nachhaltigkeit und Teilhabe, für Vielfalt, Toleranz und Demokratie – jetzt auch in Berlin.
Wir sind noch nicht am Ziel, aber auf einem guten Weg. Ich freue mich über Begegnungen und Austausch mit Ihnen bei Veranstaltungen vor Ort, auf Twitter oder auf meiner Facebook-Seite.
„Wo Bause ist, ist Ärger.“Horst Seehofer im Bayerischen Rundfunk
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